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Aquamation – die neue nach­haltige Bestattungsart?

Für viele Menschen, die ihr Leben umwelt­bewusst gestalten, stellt sich irgendwann die Frage: Könnte auch die letzte Reise nachhaltiger sein? Während die klassische Erd­bestattung viel Platz und Zeit in Anspruch nimmt und die Feuer­bestattung mit hohen CO2-Emissionen verbunden ist, verspricht ein Verfahren namens Aquamation (auch: alkalische Hydrolyse) eine besonders ressourcen­schonende Alternative.

Was genau ist Aquamation?

Die Aquamation ist ein beschleunigtes Verfahren der natürlichen Zersetzung. Dabei wird der Körper des Verstorbenen in einem Edelstahl­behälter bei hohen Temperaturen von 150 bis 160°C einer konzentrierten Kalium­hydroxid­lösung ausgesetzt. Innerhalb weniger Stunden löst sich das Gewebe vollständig auf, zurück bleiben nur eine Flüssigkeit sowie die Knochen und eventuell vorhandene Metall- oder Keramik­implantate. Die Flüssigkeit – eine sterile Mischung aus Aminosäuren, Peptiden, Zuckern und Mineralien ohne DNA – kann unbedenklich in den Abfluss geleitet werden. Die Knochenreste werden getrocknet, gemahlen und als Asche in einer Urne den Angehörigen übergeben. Wie bei einer Feuerbestattung.

Zuerst wurde das Verfahren in der Veterinär­medizin eingesetzt, um schwierige infektiöse Materialien wie BSE-verseuchte Rinder­kadaver sicher zu entsorgen. Seit 2008 ist Aquamation in den US-Bundesstaaten Minnesota und New Hampshire für die Bestattung von Menschen zugelassen. Inzwischen ist sie auch in Groß­britannien, Kanada, Südafrika und Australien erlaubt. Irland, Belgien und die Niederlande zeigen Interesse an einer Einführung. In Deutschland ist die Aquamation derzeit nicht im Bestattungs­gesetz verankert, es gibt jedoch vereinzelte Bestrebungen von Unternehmen, sie zukünftig anbieten zu können.

Wie nachhaltig ist die Aquamation wirklich?

Um zu klären, wie nachhaltig eine Bestattungsart ist, muss zunächst betrachtet werden, welche Faktoren die Nachhaltigkeit überhaupt beeinflussen:

  • Ressourcenverbrauch: Wie viel Energie, Wasser und Rohstoffe werden für die Bestattung benötigt? Dazu zählen sowohl direkte Verbräuche (z. B. Brenn­material für die Einäscherung) als auch indirekte Verbräuche (z. B. für die Herstellung des Sarges).
  • Emissionen und Folgewirkungen: Welche Treibhausgase und Schadstoffe werden durch die Bestattung freigesetzt? Welche langfristigen Auswirkungen hat die Bestattungsart auf Böden, Gewässer und Ökosysteme?
  • Flächenverbrauch: Wie viel Platz beansprucht die Bestattungsform langfristig? Während Erdgräber tendenziell größer sind, kommen Urnengräber mit weniger Fläche aus.

Bei all diesen Punkten schneidet die Aquamation über­durch­schnittlich gut ab. Eine niederländische Studie aus dem Jahr 2014 hat die gesamten Umwelt­kosten des Verfahrens berechnet. Diese betragen nur rund 2,50 Euro pro Körper und damit nur einen Bruchteil der Kosten einer Erdbestattung (63,66 Euro) und einer Feuerbestattung (48,47 Euro).

Besonders bemerkenswert: Bei der Aquamation werden alle Rückstände im Körper neutralisiert, so dass keine Schadstoffe in die Umwelt gelangen können. Das ist bei der Feuer­bestattung nicht der Fall. Durch die hohen Temperaturen werden Schwer­metalle wie Quecksilber aus Amalgam-Zahnfüllungen freigesetzt und können in die Umwelt gelangen. Bei Patienten, die eine Chemotherapie erhalten haben und kurz danach verstorben sind, können sogar noch radioaktive Stoffe im Körper vorhanden sein, die dann emittiert werden.

Ein weiterer Vorteil der Aquamation ist die schnelle und vollständige Zersetzung des Körpers. Im Gegensatz zur Erdbestattung, bei der der Körper nur sehr langsam und zudem unvollständig zersetzt wird, erfolgt die Auflösung der organischen Substanz bei der Aquamation bereits nach wenigen Stunden. Bei einer Feuer­bestattung geht dies zwar noch schneller, allerdings entstehen dabei giftige, umweltschädliche Rauchgase, die mit komplexen Systemen aufwendig gefiltert werden müssen.

Doch es gibt auch Kritik. So werden für die Aquamation Chemikalien benötigt, deren Herstellung und Transport die Umwelt belasten können. Da es sich um eine relativ neue Bestattungsart handelt, sind zudem die langfristigen Auswirkungen auf Böden und Gewässer, in die die flüssigen Überreste eingebracht werden, noch nicht ausreichend erforscht. Auch wenn die direkte Umwelt­belastung deutlich geringer zu sein scheint als bei traditionellen Bestattungen, ist eine abschließende Bewertung zumindest in diesem Fall schwierig. Trotz der offenen Fragen gilt die Aquamation derzeit jedoch als die wohl nachhaltigste Bestattungsart.

Nachhaltig: ja. Aber auch ethisch vertretbar?

Vor allem in religiösen Kreisen wird die Aquamation äußerst kritisch gesehen. Die Vorstellung, die aufgelösten Überreste eines Menschen „im Abfluss“ zu entsorgen, löst bei vielen Unbehagen aus. Insbesondere die römisch-katholische Kirche in den USA hat sich wiederholt gegen diese Methode ausgesprochen. Aus ihrer Sicht wird der Verstorbene durch den chemischen Prozess seiner Würde beraubt und letztlich unehrenhaft „ausgelöscht“.

Befürworter hingegen sehen in der Aquamation eine natürliche Fortführung dessen, was bei traditionellen Bestattungen ohnehin geschieht: der Körper kehrt in den Kreislauf der Natur zurück. Ob langsame Verwesung im Erdgrab oder das Verbrennen organischer Substanzen bei der Kremation – auch diese Prozesse führen am Ende zur Auflösung des Körpers. Warum sollte es dann weniger natürlich sein, wenn die Zersetzung im chemisch beschleunigten Tempo stattfindet?

Die gesellschaftliche Diskussion darüber, was als ethisch vertretbar gilt, dürfte in den kommenden Jahren weiter an Dynamik gewinnen. Vor allem das sich wandelnde Verständnis von Umwelt­bewusstsein und „grüner Bestattung“ könnte unser heutiges Bild vom Sterben auf lange Sicht verändern. Vielleicht führt die Frage nach der richtigen Bestattungsform letztlich dazu, dass wir unsere eigenen Überzeugungen hinterfragen und einen ganz neuen Blick auf die Rolle des Körpers nach dem Tod entwickeln. Gerade dieser Diskurs ist wertvoll – denn er hilft uns, darüber nachzudenken, welche Werte uns wichtig sind.

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